Illustration mit den Worten

Kapitel 1.3

Policy Arbeit

Auch im Jahr 2024 haben wir uns intensiv in die politische Debatte eingebracht, um die digitale Transformation im Sinne einer offenen, transparenten und partizipativen Gesellschaft zu gestalten. Mit unseren verschiedenen Projekten und Programmen demonstrierten wir, wie digitale Technologien zum Nutzen einer demokratischen Gesellschaft eingesetzt werden können und haben uns aktiv und fachkundig in zahlreiche gesellschaftliche Diskussionen eingebracht.

Dabei ließen wir uns auch nicht von der ernüchternden Bilanz zum vorzeitigen Ende der Legislaturperiode entmutigen – im Gegenteil. Mit der Veröffentlichung unserer ➠Forderungen für die Bundestagswahl 2025: Digitalpolitik für eine demokratische und resiliente Zukunft machen wir konkrete Vorschläge zur Gestaltung der Digitalpolitik für die kommende Legislaturperiode. Wir fordern politische Akteur:innen auf, Digitalpolitik als Gesellschaftspolitik zu verstehen, die unsere demokratischen Werte schützt und die digitale Transformation zum Wohle aller gestaltet. Unsere Forderungen gruppieren sich um drei Kernaspekte, deren Umsetzung für eine demokratische, nachhaltige und resiliente Zukunft unabdingbar sind: Handlungsfähigkeit stärken und Vertrauen zurückgewinnen, Transformation offen und innovativ gestalten, Demokratie schützen und Zivilgesellschaft stärken.

Dabei ist insbesondere der Umgang mit Daten und Informationen von zentraler Bedeutung. Für die FragDenStaat-Bibliothek ➠befreiten wir weitere öffentliche Informationen und machen sie für alle systematisch zugänglich. Neben dem Gemeinsamen Ministerialblatt und dem Bundesgesetzblatt veröffentlichen wir nun auch das Verkehrsblatt, das Steuerblatt und die Nachrichten für Luftfahrer. Damit hat die gesamte Öffentlichkeit jetzt freien Zugang zu sämtlichen tausenden staatlichen Regelungen, die sonst unter Verschluss oder nur gegen Bezahlung abrufbar sind. Vor dem Bundesverwaltungsgericht wurde eine wichtige Frage der Pressefreiheit geklärt: auch Online-Medien haben Presserechte, es darf keinen Unterschied zu Printmedien geben. Als Konsequenz erschien 2024 unsere Ausgabe von ➠FragDenStaat DE, unserem Druckerzeugnis, zum letzten Mal. Durch strategische Prozessführung machten wir darauf aufmerksam, dass das ➠Verbot der Veröffentlichung von Dokumenten aus einem laufenden Gerichtsverfahren die Pressefreiheit einschränkt und abgeschafft werden muss. Durch zahlreiche Anfragen im Rahmen des Informationsfreiheitsgesetzes und eine Klage gegen das Bundes Justizministerium brachten wir zudem ➠Licht ins Dunkel deutscher Reparaturpolitik.

Um die Diskussion über offene Daten auf eine breitere Basis zu stellen, veröffentlichten wir das erste ➠Open Data Ranking. In Anlehnung an das Transparenzranking blickten wir auf die Open-Data-Landschaft in Deutschland und gehen über das reine Datensätzezählen hinaus. Die Analyse der rechtlichen Rahmenbedingungen, Datenqualität und personellen Ausstattung zeigten, dass es innerhalb Deutschlands erhebliche Unterschiede in Bezug auf Open Data gibt: Während in einzelnen Bundesländern noch jegliche Grundlagen für die Datenbereitstellung fehlen, kümmern sich andere bereits um Linked Data. In diesem Jahr widmeten auch wir uns verstärkt dem Vorankommen von Linked Data, u. a. bei der Veröffentlichung von Haushaltsdaten als Linked-Open-Data im Rahmen eines Projekts des ➠4. Nationalen Aktionsplan Open Government Partnership, bei dem die OKF als zivilgesellschaftliche Partnerorganisation beratend wirkt und die Gelingensbedingungen für die Veröffentlichung von Linked Data dokumentiert.  Der aktuelle Stand dieses und weiterer Projekte ist im ➠Open Data Knowledge Hub nachzuvollziehen, dessen Inhalte im Jahr 2024 regelmäßig aktualisiert und erweitert wurden. Da es in Sachen Daten noch wahrlich viel zu tun gibt, war es uns ein Anliegen, dass das geplante Dateninstitut die Bereitstellung und Nutzung von Daten für das Gemeinwohl fördert. Die Gemeinwohlorientierung wurde im Prozess zur Bildung eines Konsortiums, an dem auch wir uns beteiligt haben, jedoch immer fraglicher. Welche nächsten Schritte für ein ➠gemeinwohlorientiertes Dateninstitut wichtig sind und warum die Beteiligung an der Ausschreibung für uns nicht zielführend war, haben wir transparent dargelegt.

Um die ➠Potenziale von Open Data für die Modernisierung der öffentlichen Verwaltung stärker zu nutzen und damit auch staatliche Handlungs- und Strategiefähigkeit langfristig zu sichern, veranstalten wir gemeinsam im ➠Bündnis F5 ein parlamentarisches Frühstück im Deutschen Bundestag. In dieser etablierten Veranstaltungsreihe tauschen wir uns regelmäßig mit Bundestagsabgeordneten, ihren wissenschaftlichen Mitarbeiter:innen und den zuständigen Referent:innen über digitalpolitische Themen aus. Neben der Verwaltungsmodernisierung diskutierten wir in diesem Jahr über die Umsetzung des Digital Services Acts auf der nationalen Ebene (Digitale-Dienste-Gesetz) sowie über Digitale Sicherheit und Künstliche Intelligenz. Gemeinsam mit unseren Bündnispartner:innen stellten wir zudem unsere ➠Forderungen an die erste Digitalministerkonferenz für einen echten Perspektivwechsel in der Digitalpolitik vor und betonten die Notwendigkeit einer nachhaltigen und an gesellschaftlichen Zielen ausgerichteten Digitalisierung. Als wegweisende Akteurin in der Digitalpolitik etablierte sich auch zunehmend die Europäische Union. Anlässlich der Europawahl 2024 haben wir in unserem ➠Positionspapier zur EU-Wahl festgehalten, welche Maßnahmen und Gesetze es aus unserer Sicht für eine gemeinwohlorientierte Digitalpolitik braucht. Mit Blick auf die Bundestagswahl 2025 hat das Bündnis F5 dringende Handlungsempfehlungen und ➠Forderungen für eine gerechte, nachhaltige und sichere Digitalpolitik zusammengestellt. Kurz vor Ende des Jahres präsentierte F5 zudem noch einen konkreten Beitrag zur politischen Entscheidungsfindung vor der anstehenden Bundestagswahl. In unserer ➠Blaupause für ein eigenständiges Ministerium für digitale Transformation, in dessen Zentrum ein  Organigrammentwurf steht, fordern wir ein handlungsstarkes Digitalministerium, das die Zivilgesellschaft einbindet und als zentraler Motor für eine gemeinwohlorientierte Digitalisierung dient.

Ein wesentlicher Bestandteil unserer politischen Arbeit war dabei immer die Anerkennung von Open Source Software und Open Source Hardware als Basis für die Zukunft. So setzen uns auch 2024 wieder dafür ein, die Vorteile von Open Source Software und Open Hardware für die Gesellschaft nutzbar zu machen. Ende des Jahres freuten wir uns daher auch sehr, verkünden zu können: ➠Der Prototyp Fund geht weiter und wird für weitere vier Jahre innovative Open-Source-Software aus der Gesellschaft und für die Gesellschaft fördern! Damit bleibt er auch in den nächsten Jahren eine wichtige Anlaufstelle für alle, die Lösungen für gesellschaftliche Herausforderungen entwickeln wollen. Um Open Source als wichtigen Baustein globaler Lösungen in den politischen Diskurs zu bringen und über die Tech-Szene hinaus bekannt zu machen, fand in New York die Konferenz ➠Open Source Programme Offices for Good (OSPOsForGood) statt, an der dieses Jahr auch unsere Geschäftsführerin Dr. Henriette Litta, teilnahm. Im Mittelpunkt stand nicht weniger als die Rolle von Open-Source-Software bei der Verwirklichung der Sustainable Development Goals (SDGs).

Die Bedeutung offener Technologien und Daten für die Bekämpfung der Klimakrise haben wir dieses Jahr vielfach unterstrichen und gefördert. Mit der ➠zweiten Runde des Prototype Fund Hardware, unter dem Motto “KI-Ideenwerkstatt X Prototype Fund Hardware: Offene Technologien für den Umweltschutz” wurden zehn Projektteams gefördert, die sich mit der Entwicklung von Open-Hardware-Lösungen für Umweltschutzanwendungen befassen. Wie eine effektive Gestaltung des Umweltschutzes aussehen kann, zeigten Expert:innen aus den Bereichen Umweltschutz, Open Data und KI-basierter Datenauswertung im Projekt ➠Umweltdatenwerkstatt.

Auch nach den von der EU-Kommission verabschiedeten Regelungen zur Förderung von Reparaturen, die ➠den Namen „Recht auf Reparatur“ nicht verdienen, fehlt weiterhin eine grundsätzliche Debatte darüber, wie ein alternatives Verständnis von Technologie und ihres nachhaltigen Nutzens für die Gesellschaft aussehen könnte. In Zusammenarbeit mit der Open Hardware Allianz ist ein Diskussionspapier entstanden, das die ➠Rollen von Hardware in einer auf Kreisläufe ausgerichteten Gesellschaft neu denkt – denn Open Hardware und ein offenes Design spielen eine wesentliche Rolle. In Ansätzen wurde die Potentiale von Open Hardware und offenen Designs bereits in der Nationalen Kreislaufwirtschaftsstrategie (NKWS) berücksichtigt, an dessen Dialogprozessen wir uns beteiligten, u. a. mit dieser ➠Kommentierung des Entwurfs. Trotz richtiger und wichtiger Maßnahmen werden mit der finalen Strategie jedoch nur ➠kleine Schritte in die richtige Richtung gemacht. Dabei zeigt Frankreich seit Jahren, dass es auch anders geht. So hat das Land schon lange einen nationalen Reparaturindex und die Möglichkeiten von Open Hardware erkannt - ➠Beim Reparaturgesetz sollte sich Deutschland daher an Frankreich orientieren.

Eine Schlüsselrolle für das Gelingen von Open Source Ökosystemen kommen den Communities und Entwickler:innengemeinschaften zu. Deswegen setzten wir uns dafür ein, dass Menschen gestärkt werden, die sich aktiv an der Gestaltung einer offenen und gerechten digitalen Welt beteiligen. ➠Die Civic-Tech-Szene in Taiwan hat uns dabei inspiriert. Einen Monat nach unserem Besuch beim g0v summit in Taipei durften wir Vertreter:innen der Civic-Tech-Community bei uns in Berlin begrüßen. Die vielen Labs von ➠Code for Germany, dem Netzwerk ehrenamtlich engagierter Menschen, die sich für eine gemeinwohlorientierte digitale Zukunft einsetzen, zeigen anschaulich, wie sich Menschen vor Ort engagieren. In der Blogreihe ➠Out in the Open analysieren Expert:innen monatlich aktuelle Ereignisse zu Digitalpolitik, Open Data und Civic Tech in Deutschland.

Ein Ort, an dem Vertreter:innen aus der Zivilgesellschaft, Verwaltung und Wissenschaft zusammenkommen, um sich über neue Ideen für die Digitalisierung von Staat und Gesellschaft auszutauschen, ist die ➠PIAZZA Konferenz. Die OKF gehörte in diesem Jahr erstmals zu den Trägerorganisationen. Zudem beteiligten wir uns dort an einem Workshop zu ➠Linked Data in der Verwaltung. Auch auf anderen Veranstaltungen waren wir aktiv. Auf der diesjährigen ➠re:publica waren wir mit verschiedenen Themen und Formaten vertreten. Am Stand des Bündnis F5 haben wir ein vielfältiges Programm angeboten, tauschten uns mit Expert:innen aus verschiedenen Bereichen aus uns führten zahlreiche spannende Gespräch. Im Rahmen der parallel stattfindenden TINCON ist Jugend hackt an allen drei Tagen mit vielen jungen Leuten ins Gespräch gekommen - auch aufgrund von drei Mitmach-Angeboten mit Technikbezug, die stark nachgefragt wurden. Auch auf dem Chaos Communication Congress (38C3) war Jugend hackt mit einem eigenen Stand vertreten. Die ➠Highlights des Prototyp Funds sind hier nachzulesen. Zum ersten Mal in einer offiziellen Rolle nahmen wir mit dem Bündnis F5 am Digitalgipfel der Bundesregierung teil. Der Weg zu einer nachhaltigen Beteiligung der Zivilgesellschaft ist jedoch noch weit - ➠Die Zivilgesellschaft muss um jeden Zentimeter Raum kämpfen.

Als Mitglied des ➠Digitalbeirat der Bundesregierung nahm die OKF-Geschäftsführerin Dr. Henriette Litta dort auch an einem Panel zur Digitalstrategie teil. Zum Ende des Jahres ➠endet nun die Arbeit des Beirats Digitalstrategie der Bundesregierung nach zwei Jahren mit einem ➠Abschlussbericht mit Forderungen und Impulse für eine digitale Zukunft. Den 19 Leuchtturmprojekten aus der Digitalstrategie sollten die Beiräte mit hilfreichen Tipps zum helleren Leuchten verhelfen.

Die Stärkung unserer Demokratie und der Erhalt des Vertrauens in sie wird angesichts des Erstarkens rechter, autoritärer und menschenfeindlicher Positionen ein immer wichtigerer Teil unserer Arbeit. Wir unterstützen starke demokratische und zivilgesellschaftliche Strukturen, um sie widerstandsfähig zu machen. Dafür wurde der ➠Gegenrechtsschutz neu aufgelegt, mit dem wir die Gegenwehr für Betroffene von autoritärem Rechtsmissbrauch mit Hilfe von anwaltlicher Unterstützung und finanziellen Hilfen an die Betroffenen stärken. Mit der ➠Kampagne „Preppen für die Demokratie – weil nichts sicher ist“ geben wir Menschen Werkzeuge und Strategien an die Hand, um selbst aktiv zu werden, um die Demokratie zu verteidigen. Im Rahmen dessen haben wir ebenfalls ➠„FragDenStaat berät“ gestartet, ein Beratungsangebot für Beamt:innen und Menschen in anderen Organisationen, in denen autoritäre (Führungs-)Kräfte ihre Macht verfassungswidrig einsetzen, etwa durch rechtswidrige Weisungen oder korruptives Verhalten. Wir beteiligten uns an der ➠Konsultation zu den vorgelegten Änderungsvorschlägen des Reformstaatsvertrags, da in Zeiten von Vertrauenskrise und Falschinformationen ein zeitgemäßes Medienangebot sicherstellen muss, dass faktenbasierte, gut recherchierte Informationen der Öffentlich-Rechtlichen gut auffindbar, breit gestreut und dauerhaft abrufbar sind. Die OKF unterstützte zudem den ➠Aktionstag gegen Rechtsextremismus und Rassismus, denn Digitalpolitik spielt eine zentrale Rolle für eine offene, demokratische, plurale, inklusive und solidarische Gesellschaft.